Samstag, 29. September 2012

Cannery Row (John Steinbeck)

(zu deutsch: Die Straße der Ölsardinen)
In der Straße Cannery Row wohnt die ärmere Bevölkerung der Stadt Monterey: einfache Arbeiter, die sich ihr Geld damit verdienen, Fisch in Dosen zu verpacken, Trunkenbolde, faule Taugenichtse und Tagelöhner. Die Geschichte erzählt unter anderem von Lee Chong, der seinen kleinen vollgestopften Krämerladen wie einen Augapfel hütet, von Dora, die gegenüber ein Bordell betreibt, von Doc, dem jeder etwas Nettes tun möchte, und von Mack und seinen Freunden, die sich im Flophouse Palace, einem Lagerhaus, auf der anderen Seite des Platzes einnisten. Als der chaotische Mack mit seinen Jungs beschließt, Doc eine Party zu schmeißen, ist von vornherein klar, dass dieses Vorhaben nicht so enden wird, wie geplant…
Das Leben in der Cannery Row während der großen Depression in den 1930ern ist träge, langsam und oft eintönig. Die Bewohner leben von Tag zu Tag und suchen ihr Vergnügen in kleinen Dingen. Das Buch erzählt davon, wie die Leute dort miteinander umgehen, wie sie ihr Geld verdienen, welche Träume sie haben und welche Ziele sie verfolgen.

Cannery Row enthält keine komplexe Handlung. Alles was darin geschieht, lässt sich einfach in ein paar Sätzen widergeben. Was den wahren Reiz des Buches ausmacht, sind die Szenen, die die lose Handlung unterbrechen, um von anderen kleinen Begebenheiten zu erzählen, um die Charaktere um einige Facetten zu erweitern, oder nur um zu versuchen, die leicht wehmütige Stimmung einzufangen, die an diesem Ort herrscht.

In kurzen Episoden beschreibt John Steinbeck objektiv allerlei absonderliche sowie einfach gestrickte Charaktere, ganz ohne über sie zu urteilen. Der Leser bildet sich sein eigenes Urteil. Wirken manche Protagonisten am Anfang der Handlung noch seltsam oder unsympathisch, so ändert man doch Stück für Stück seine Meinung, wenn der Autor einem geschickt nach und nach ihre Eigenheiten und liebenswerte Eigenschaften eröffnet, bis am Ende des Buches aus eindimensionalen Klischees plastische Personen geworden sind, die man, auch wenn man sie nicht immer leiden, doch verstehen und schätzen kann.
Durch die Vorstellung vieler verschiedener Personen entsteht fast wie bei einem Puzzle bis zum Ende der Erzählung ein Gesamtbild im Kopf des Lesers. Da wären zum Beispiel der Maler Henri, der nur Bilder mit verschiedenfarbigen Hühnerfedern und Nussschalen herstellt, Dora Flood, die korrekteste und wohltätigste Bordellbesitzerin, die man sich vorstellen kann, Mr. Malloy, der mit seiner Frau auf dem Platz vor Lee Chongs Krämerladen in einem ehemaligen Fabriks-Boiler wohnt oder Mary Talbot, die regelmäßig Teepartys mit den Katzen der Nachbarschaft veranstaltet.

Diese Geschichte ist nicht dazu gedacht, sie schnell der Handlung wegen zu überfliegen, sondern um sie langsam in sich aufzunehmen und die Atmosphäre, die sie verbreitet, in Ruhe auf sich wirken zu lassen.
John Steinbeck selbst gibt dem Leser am Anfang einleitend mit einer sehr schönen Metapher einen Rat, wie man Cannery Row am besten genießt:
How can the poem and the stink and the grating noise – the quality of light, the tone, the habit and the dream – be set down alive? When you collect marine animals there are certain flat worms so delicate that they are almost impossible to capture whole, for they break and tatter under the touch. You must let them ooze and crawl of their own will on to a knife blade and then lift them gently into your bottle of sea water. And perhaps that might be the way to write this book – to open the page and to let the stories crawl in by themselves.

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